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                              Autoren:
                              Sylvia Zeller und René Talbot
                             
                              Länge 01:52
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                        | Kinder und ihre Eltern; Familie und Verwandtschaft – das sind die scheinbar natürlichsten Grundlagen unserer Existenz. Sie liegen im Bereich des Privaten und damit in einer Sphäre, die dem politischen Diskurs immer schon vorausgeht, aber dennoch auf engste mit ihm verwoben ist. Für unser Denken und unser Selbst-Bild, also die Konstruktion unserer Identität, ist allerdings sehr wesentlich, wie wir unsere Genealogie bestimmen. Unmittelbar wird sichtbar, unter welcher ideologischen Prämisse sich unser Denken vollzieht – denn Elternschaft kann ja auf zwei verschiedene Arten zustande kommen.  Zum einen durch Adoption. Erwachsene entscheiden sich aus freien Stücken dazu, uneigennützig für ein Kind zu sorgen und übernehmen die Verantwortung für das Aufziehen dieses neugeborenen Menschen. Wenn Kinder adoptiert werden, wird ihr Familiennamen der ihrer nicht leiblichen Eltern.Diese Form der Genealogie kommt durch die positive Annahme eine Kindes, ein Zuneigungsversprechen der Eltern zustande, das sich durch die Übergabe des Familiennamens an das Kind wiederspiegelt. Die Beziehung wird sprachlich  - damit öffentlich - vollzogen, also in dem Medium, auf das sich Denken und Kultur, Moral, Recht und Mythos gründet.
 Die andere Möglichkeit, wie Elternschaft konstituiert wird, ist durch biologische Abstammung. Diese Form der Elternschaft als die unhinterfragbare Norm anzusehen, ist eine Auffassung, die sich in den letzten 300 Jahren im Zuge der Aufklärung und dem Aufkommen moderner Medizin, Naturwissenschaften und Psychiatrie durchgesetzt hat.  |  
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                        | Interview René Hoksbergen + Kommentar |  
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                              Interview:
                              René Talbot
                             
                              Kommentar:
                              Sylvia Zeller und René Talbot
                             
                              Länge 13:50
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                        | Adoptierte Kinder weichen von dieser dominant verteidigten Norm ab.
Ihre Existenz stellt sich vom Standpunkt der herrschenden Ideologie aus
gesehen als Zumutung dar. In diesem Sinne erscheint das Leben der von
Adoption Betroffenen als eine Leidensgeschichte; Adoptierte werden
dargestellt als Menschen mit problematischer Sozialisation und
lebenslangen Identitätskonflikten und scheinen sich mitunter auch
selbst so zu verstehen. Wir haben dazu ein Gespräch mit dem bekannten Adoptionsforscher
Prof. René Hoksbergen von der Universität Utrecht
geführt und senden Ausschnitte aus diesem Telefoninterview: 
   René
Talbot (R.T.):Herr Hoksbergen, wir freuen uns,
dass wir am Telefon mit Ihnen dieses Interview machen können. Es
soll darum gehen, was macht Elternschaft aus bzw. wie verhalten sich
soziale und biologische Elternschaft zueinander im gesellschaftlichen
Diskurs. Noch kurz zu Ihrer Person: sie sind Sozialwissenschaftler?
 Prof. René Hoksbergen
(P.R.H.):Ja in Psychologie und Pädagogik.
 R.T.: Woran liegt es, Ihrer Meinung nach, dass
Adoption immer noch tabuisiert oder stigmatisiert ist? P.R.H.: Ja, dass es noch
immer so ist, wie vor z. B. 50 Jahren, würde ich nicht denken.
Natürlich ist ein Kind zu bekommen durch Adoption eine andere Art
für die Familie, als selbst ein Kind zu bekommen, die normale
Fortpflanzung. Eine Adoption ist natürlich etwas anderes und
natürlich kann man fragen: "Was ist los mit dem Kind?" und sie
wissen vielleicht gar nichts vom Kind u.s.w. Das wird immer so sein.
Wenn Sie das "tabuisieren" nennen, ja. Das wird sich nicht ändern,
aber für mich ist das nicht tabuisieren, das sind einfach reale
Fragen.  R.T.: Warum wird biologische Elternschaft
gegenüber der sozialen gesellschaftlich präferiert? P.R.H.: Natürlich
ist das so - das ist die normale Fortpflanzung.  R.T.: Als Norm? P.R.H.: Natürlich
als Norm und das hat nichts mit Adoption zu tun. Das hat einfach mit
dem Gesetz zu tun, dass wir bestehen bleiben wollen, als Menschheit. R.T.: Ja, aber das können wir auch mit
Adoptierten. Das Gesetz ist ein juristische Kategorie und eine
gesellschaftspolitische.  P.R.H.: Ja, aber wir
wollen uns auch selbst fortsetzen, vielleicht will jeder Mensch so
etwas wie Ewigkeit haben. Die Religionen sind nicht für nichts da.
Die Religionen sagen oft, wir bleiben ewig da, irgendwie und mit
Kindern bleiben wir auch noch leben.  R.T.: Dann kämen wir aber auf ein
ähnliches Problem: wie weit sind wir mit Kindern in Projektionen
gefangen? P.R.H.: Sie müssen
"Kinder bekommen" und "Adoption" voneinander trennen, weil wenn man
adoptiert, dann hat das auch damit zu tun, dass ich möchte gern
ein Kind erziehen, versorgen u.s.w. Das ist einfach ein
Basisbedürfnis... Wenn man selbst kein Kind bekommen kann, dann
wäre 5% bis 10% aller Leute, die selbst keine Kinder bekommen,
versuchen, zu adoptieren - das ist also eine kleine Minderheit.  R.T.: Trotzdem ist natürlich der Akt der
Adoption doch der der Annahme. Kommt es nicht sehr darauf an, dass ein
Kind angenommen und in dem Sinne auch adoptiert und geliebt wird? P.R.H.: Ja,
natürlich. Sie haben völlig Recht. R.T.: Jedes Kind? P.R.H.: Das ist auch der
Fall - ich sehe immer, dass Adoptiveltern im Durchschnitt - kann man
sagen - bessere Eltern sind, als die ganze Gruppe von Eltern, weil sie
sehr auf das Kind bezogen und gerichtet sind, sie wollen sehr viel mit
dem Kind erreichen. R.T.: Man könnte doch sehr sinnvoll von
einem "Wunschkind" sprechen, oder? P.R.H.: Ja, hoffentlich
sind alle Kinder "Wunschkinder" aber besonders für Adoptivkinder,
ist das recht, was Sie sagen. Es ist auch aus Idealismus, wenn Kinder
adoptiert werden, weil - es wird in Deutschland auch ungefähr sein
- 10 - 15% von allen Adoptiveltern haben schon biologische Kinder d.h.
sie brauchen nicht zu adoptieren, um eine Familie zu gründen. Um
ein gewissen Maß an Idealismus geht es auch.  R.T.: Sie haben auch geschichtlich gearbeitet
und Sie kamen in einer Veröffentlichung auch auf Phasen.
Können Sie uns ein bißchen darüber erzählen?
welche Phasen kann man dabei unterschieden in den letzten 50, 100
Jahren? P.R.H.: Ja. In den letzten
50 Jahren, besonders in Holland aber ich denke auch in Schweden und
vielleicht auch in Deutschland - in Deutschland sehe ich auch etwas
davon - ich habe vier Generationen von Adoptiveltern voneinander
unterschieden. Die verschlossene Adoptivelterngenerationen, das war
einfach die Generation vor 30, 40 Jahren. Sie wollten sehr gern Kinder
haben, waren aber nicht imstande, selbst Kinder zu schöpfen und
wollten dann adoptieren und meistens sind das dann auch wie Kinder, die
in Deutschland oder in Holland oder in Schweden Geborene. Diese waren
auch ziemlich verschlossen. Sie wollten nicht oft mit dem Kind
über die Adoption sprechen, z.B. und dass sie ein Kind adoptiert
haben, wurde auch nicht an andere mitgeteilt. Ich sage: "öfters",
nicht für alle.  R.T.: …oder eher verheimlicht. P.R.H.: Ja, genau.  R.T.: …oder tabuisiert in dem Sinne. P.R.H.: Wenn Sie über
"tabuisiert" sprechen, dann müssen Sie an diese Generation denken.
Dann hat man die 2. Generation, die "offenen, idealistischen"
Adoptiveltern - so nenne ich sie halt - und das hat angefangen mit den
Adoptionen von Kindern aus anderen Ländern, besonders aus Asien,
Südamerika und manchmal aus Afrika. Das waren ganz andere Kinder,
mit eine andere Hautfarbe. Man wußte viel weniger von diesen
Kindern. Das waren auch Kinder, die aus Armut freigegeben worden waren
und diese Eltern hatten oft eigene Kinder, sie brauchten gar nicht ein
Kind zu adoptieren, um eine Familie zu bilden. Sie waren sehr
idealistisch und auch offen. Ja, so ungefähr… R.T.: Die 70er, 80er Jahren… P.R.H.: … und dann
später wurde deutlich, dass mit diesen Adoptivkindern allerhand
los war. Oft hatten sie ganz schlimme Verhaltensprobleme, die sehr
lange dauerten oder oft gar nicht verschwinden kontnen, so daß
wir viel mehr Kenntnisse haben müßten, um besser mit diesen
Kindern umgehen zu können. Ich nenne diese 3. Generation die "realistische Generation". Sie
wollten viel mehr lesen über Adoption, Schwierigkeiten,
Verhaltensprobleme der Kinder u.s.w. Ja, und jetzt hat sich wieder eine
Änderung vollzogen und man kann sagen, dass jetzt, weil viel mehr
Kinder aus China kommen - das sind ziemlich junge Kinder und für
90 - 95% sind das Mädchen - kann man sagen, dass man etwas
optimistischer geworden ist aber auch fordernder. man will wirklich
sehr junge Kinder haben und oft aus China - z. B. in Holland im vorigen
Jahr waren das 800, 900 aus China angekommen, das sind sehr viele - die
ein junges Kind haben… R.T.: Kurze Zwischenfrage: Wie ist der Anteil im
Vergleich zu den Inlandsadoptionen? P.R.H.: In Holland werden
fast keine Kinder freigegeben. In Deutschland sind es mehr, das
weiß ich, das ist aber ein größeres Land. Das ist aber
jedes Jahr weniger jetzt, das ist derselbe Prozess, wie in Holland. Die
letzte Generation ist auch sehr fordernd und es war bei der 2.
Generation, der offenen, idealistischen Generation, gar nicht so. Sie
akeptierte leicht ältere Kinder, 3, 4, 6 Jahre alt oder vielleicht
sogar noch älter aber die letzte Generation, die fordernde
Generation, die will am meisten - nicht alle - aber meistens Kinder
unter 2 Jahre adoptieren. Die Eltern hoffen dann, dass es weniger
Verhaltensprobleme geben wird mit ihrem Kind.  R.T.: Sie weisen in ihren Publikationen
öfters darauf hin, dass Adoptierte in der Regel Probleme mit ihrer
Identitätsfindung haben. Welche Rolle spielen dafür
traditionelle Vorstellungen von Subjektkonstitution als Derivat einer
biologischen Gruppe? P.R.H.: Ja, ich denke,
dass die Probleme mit der Identitätsfindung damit
zusammenhängen, dass man einfach als Mensch in der eigenen
Stammgruppe leben will, man will wissen wer man ist, von wem hat man
bestimmte Charakteristiken, bestimmte Merkmale und man fühlt sich
sicherer in der eigenen biologischen Familie, das ist einfach so und
man muß es wirklich anpassen - verstehen Sie das? - man muß
es wirklich anpassen an eine andere Familie und dann sieht man
öfters, dass man sich einsam fühlt, dass man sich allein
fühlt, dass man sich anders fühlt, so die
Identitäsprobleme von adoptierten Leuten, die muß man sehr
ernst nehmen, man muß akzeptieren, dass es das gibt.  R.T.: Die andere Frage natürlich ist, in
wieweit ist es auch eine gesellschaftlich-politische Frage, eine
soziale Frage ist bzw. auch ein kulturelle Frage. Dahinter steht die
Frage, in wieweit man akzeptiert, eine Autobiografie zu entwickeln im
Gegensatz zu eine Biografie nur haben, also eine Autobiografie, sich
selbst auch als Mensch zu setzen und entwickeln und sozusagen seine
Freiheit annehmen.  P.R.H.: Ja, das
können sie so sagen aber ich sage, dass ohne Vergangenheit, ist
das sehr schwierig und die Vergangenheit findet man in der eigenen
biologischen Familie. R.T.: Warum "biologisch", warum nicht "sozial"? P.R.H.: Ja, das
gehört zusammmen, weil die biologische Familie ist natürlich
auch kulturell und sozial verknüpft an einer neuen Generation, das
verstehe ich nicht ganz genau. Ich würde sagen, dass ohne
Vergangenheit mit dem Leben in den eigenen biologischen Familie sehr
schwierig ist, einfach schwierig ist, ganz sicher zu fühlen von
sich selbst aus, weil man hat dann nicht so sehr die Hilfe von der
Familie gehabt. Natürlich haben Adoptivkinder sehr viel Hilfe von
der Adoptivfamilie, natürlich ist das so und grundsätzlich
mehr, als die andere Leute aber ich meine, das ist Gefühl,
Gefühl des Zusammenseins. Ich sage zu meine Studenten immer: ein
Kind ist seine Eltern. Ich meine damit, ein Kind ist ein Teil von
seinen Eltern und damit meine ich "mental", also "psychisch" und nicht
nur "physisch". Das ist ganz wichtig und für adoptierte Kinder ist
das schwierig - nicht immer, aber öfters ist das schwierig, das zu
erholen. Daher sieht man auch, dass viele dieser Kinder, wenn sie
erwachsen sind, nach ihren Herkunftsland reisen wollen, auf der Suche
nach ihrer biologischen Familie, Bruder oder Schwester u.s.w. und das
machen die meisten, 90, 95% versuchen das.  Untersuchungen haben uns das gelernt und das ist auch kein Problem
für Adoptiveltern, sie können ruhig ihren Kindern mithelfen
und das ist auch wichtig, das zu tun und ich sage auch nicht, dass alle
Adoptivkinder sich unglücklich fühlen, das ist gar nicht so
aber sie müssen mehr Schwierigkeiten überwinden als andere
Leute. Das was Sie gefragt haben über die Identitätsfindung,
ist eine wirklich wichtige Sache, da haben Sie recht.  R.T.: Gut, Herr Professor Hoksbergen, wir
bedanken uns für das Gespräch.
 Dem Adoptionsforscher fällt es schwer, Adoption nicht in erster
Linie unter den Vorzeichen einer Abweichung vom Normalen, nicht als
defizitäre und prekäre Form der Verwandtschaft zu verstehen.
Wiewohl er Adoptionseltern ein häufig hohes Maß an
Idealismus bescheinigt, verkennt er den emanzipatorischen Impuls dieser
Form von Familienbildung.
 Denn Adoption ist per Definition der Akt der willentlichen Annahme
eines Kindes. Sie ist die positive, gewollte Zustimmung zu der
Lebensform und Rolle des Mutter- bzw. Vaterseins als bewusster
Entscheidung für einen Lebensabschnitt, wenn nicht für ein
ganzes weiteres Leben. Wenn Elternschaft zu einem bereits geborenen
Menschen freiwillig zustande kommt – nicht nur als Resultat von
Sexualität gesehen wird - , stellt dies das Eltern-Kind
Verhältnis von vornherein auf eine gewaltfreie Basis. Diese freie
Entscheidung kann erst die Übernahme von Verantwortung
begründen. Die gängige Rede vom „Wunschkind“ entfaltet nur
mit diesem positiven Blick auf Adoption ihren wohlverstandenen Sinn.
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                              Interview:
                              Sylvia Zeller
                             
                              Länge 01:19
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                        | Die Abwehr so verstandener Wunschkinder wird in der Abwertung der Motivation adoptionswilliger 
Eltern offenkundig. Wir führten dazu ein Telefoninterview mit Ursula Künning, 
diplomierter Sozialarbeiterin, die zu diesem Thema eine Doktorarbeit schreibt: 
 
  "Viele Eltern, die heute ein Kind adoptieren möchten, entwickeln 
    den Wunsch zur Adoption, weil sie feststellen, dass einer der Partner, der 
    medizinischen Diagnose nach, unfruchtbar ist. Das Paar muss mit dem Stigma 
    der eigenen Unfruchtbarkeit und mit der Stigmatisierung mancher Adoptionsvermittlungsstellen 
    leben, die ein unfruchtbares Paar als pathologischen Fall einstufen, die ihre 
    Krankheit mit der Adoption aus egoistischen Gründen heilen wollen.  Diesen Eltern wird häufig mit Argwohn begegnet, da es gesellschaftlich 
    kaum vorstellbar scheint, dass ein Kind in einee Adoptionsfamilie nicht nur 
    ein Ersatzkind für das leibliche Kind darstellt und dass es nicht "wie 
    ein", sondern "als ein" sog. "eigenes Kind" geliebt 
    wird." Wie Frau Künning sagt, es ist gesellschaftlich nahezu undenkbar, dass 
  Adoptiveltern ihr Kind nicht "wie", sondern "als" ein sog. 
  "eigenes Kind" lieben könnten. Ein angenommenes Kind kann nur 
  als bloßes Ersatzkind gesehen werden. Das offenbart, in welchem Maße 
  das Eltern/Kind-Verhältnis ideologisiert ist.
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                              Vortrag:
                              Ursula Künning
                             
                              Kommentar:
                              Sylvia Zeller und René Talbot
                             
                              Länge 06:16
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                        | In Deutschland ist die Frage von Elternschaft als ideologische Frage in den letzten Jahren wieder brisant geworden mit der Eröffnung von Babyklappen und der damit zusammenhängenden Debatte um die Legalisierung der anonymen Geburt. Im Zentrum dieses Diskurses steht die werdende biologische  Mutter, die nicht soziale Mutter werden will – aus welchen Gründen auch immer. Da hierzulande die Vorstellung besonders hartnäckig verbreitet ist, Frauen müssten ihre Mutterschaft in jedem Falle als ungeteiltes Glück empfinden, kann eine Ablehnung der sozialen Mutterrolle nicht anders als im Kontext einer massiven  Notlage verstanden werden. Das Bild einer Mutter, die ihr Kind nicht will, abgibt oder gar tötet, ist offenbar die größte anzunehmende Zumutung und trifft auf tiefliegende Ängste. Frau Ursula Künning, diplomierte Sozialarbeiterin und Doktorandin an der Freien Universität Berlin, erläutert, wie es zu der Einrichtung der Babyklappen kam und wie der derzeitige Stand der rechtlichen Regelung ist:  
  "Wenn von Babyklappen, anonymer, vertraulicher Geburt oder von persönlicher 
    aber anonymer Kinderabgabe eines Neugeborenen die Rede ist, weiß kaum 
    jemand, wie es anscheinend plötzlich zu diesen sozialen Hilfsangebot 
    kam. Die Idee der anonymen Kinderabgabe und ihrer Realisierung wurden in der 
    Bundesrepublik voneinander unabhängig und zeitlich nahezu parallel von 
    einerseits kirchlichen und andererseits einem Freien Träger sozialer 
    Einrichtungen erbracht.  Ich berichte erst über die kirchlichen Ursprünge: In Juni 1999 - untersagte der damalige Papst Johannes Paul II allen katholischen 
    Schwangerschaftsberatungsstellen in Deutschland die Ausstellung von Beratungsscheine, 
    die zu einer straffreien Abtreibung berechtigten. Daher stieg im Juni 1999 
    die deutsche Bischofskonferenz und damit der Caritasverband und der Sozialdienst 
    katholischer Frauen aus der Schwangerenkonfliktberatung aus.
 In September 1999 erfolgte als Reaktion auf den Ausstieg, die Gründung 
    des Laienverbandes "Donum Vital", zu deutsch: "Geschenk des 
    Lebens" als bürgerlicher Verein von Laien, um das katholische Element 
    in der Schwangerschaftkonfliktberatung zu erhalten. Ebenfalls im Sept. 1999 wurde unter dem Dach von " Donum Vital" 
    in Bayern das Projekt "Moses" gegründet. Das Projekt "Moses" 
    bietet Müttern, die ihr Kind nicht behalten wollen, Beratung und Unterstützung 
    bei anonymer Geburt an. Unter einer Notrufnummer kann noch eine anonyme, persönliche 
    Übergabe von neugeborenen Kindern an Mitarbeiterinnen vereinbart werden.
 Unabhängig von dieser Entwicklung und zeitgleich nahezu parallel 
    geht der Freie Träger "Sternipark" in Hamburg ein vergleichbaren 
    Weg. Er handelt dabei auf Grundlage eines unterschiedlichen Konzepts: der 
    Verein wurde bereits 1990 als gemeinnützig anerkannter freier Träger 
    der Jugendhilfe in Hamburg und Schleswig-Holstein gegründet. "Sternipark" 
    ist Anbieter, wie auch die erwähnten kirchlichen Träger, von beispielsweise 
    Kindertagestätten, sowie betreutem Wohnen für Mütter und 
    Kinder. Konzeptionell vertritt "Sternipark" ein reformpädagogischen 
    Ansatz und knüpft an die anti-autoritäre und politische Erziehung 
    seit den 1970er Jahren in der Bundesrepublik an.  1999 werden in Hamburg 4 ausgesetzte Kinder aufgefunden, von denen 2 bereits 
    gestorben sind. "Sternipark" reagiert auf die Aussetzung mit der 
    Gründung des Projekts "Findelbaby". Am 20. 12. 1999 startet das Projekt 
    "Findelbaby" eine kostenlose Notrufnummer zur Beratung für Schwangere 
    oder Mütter in Not- oder Konfliktsituationen. Unter dieser Nummer kann 
    auch eine anonyme, persönliche Übergabe von neugeborenen Kindern 
    vereinbart werden. Im April 2000 bereitet das Projekt "Findelbaby" in einem der 
    Kinderhäuser des Vereins die Aufnahme anonym abgegebener neugeborener 
    Kinder vor. Durch eine Stahlklappe an der Außenwand des Hauses können 
    Kinder in einem Wärmebettchen gelegt werden. Die Zeitung "Bild am 
    Sonntag" berichtet über das Vorhaben und nennt die Einrichtung "Babyklappe". 
    Das Projekt übernimmt nach längerer Diskussion diesen Namen. Am 8. 4. 2000 wird in Hamburg die Babyklappe unter großer medialer 
    Beachtung eröffnet. Die renommierte Werbeagentur "Jungfer & Matt" unterstützt 
    das Projekt kostenlos mit einer umstrittenen, viel-beachteten Öffentlichkeitskampagne. 
     Im Zeitraum von 1999 bis zur Gegenwart wurden in Deutschland von kirchlichen 
    und nicht-kirchlichen Trägern wahrscheinlich um die 80 Einrichtungen 
    zur anonymen Kindesabgabe installiert. Diese Einrichtungen tragen verschiedene 
    Namen, wie z. B. "Babyfenster" oder "Babywiege". Kurz 
    nach der Einrichtung der Babyklappen wurde die Forderung nach Einführung 
    anonymer Geburten laut, um auf Frauen, die in Notlagen sind aber ihre Daten 
    nicht offenliegen wollen, eine medizinische Hilfe bei der Entbindung zukommen 
    zu lassen.  Am 30. Mai 2001 fand im Bundestag die erste Anhörung zur gesetzlichen 
    Regelung der anonymen Geburt statt. Einige der eingeladenen Fachleute äußerten 
    sich negativ über die geplanten Legaisierung und kurz vor der Schlußabstimmung 
    im Mai 2001, wurde der Gesetzentwurf zurückgezogen und die Abstimmung 
    bis zu einem unbestimmten Termin in die nächste Wahlperiode vertagt. 
    Zwei weitere Versuche, das Thema in den Bundesrat einzubringen scheiterten. 
    Anonyme Geburten finden in Kliniken statt, das wissen wir - die Anzahl läßt 
    sich nicht ermitteln. Die rechtliche Lage gilt als ungeklärt. |  
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                        | Zur rechtlichen Situation der anonymen Geburt |  
                        |                           
                            
                            
                              Kommentar:
                              Sylvia Zeller und René Talbot
                             
                              Länge 01:58
                             |  
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                                     2.52 MB | 
                                     893 kB |  
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                        | An dem Zustand, dass die anonyme Geburt in Deutschland rechtlich ungeklärt 
ist, hat sich seit der abgesagten Abstimmung im Bundestag im Jahr 2001 nichts 
geändert. Dies, obwohl im Frühjahr 2003 der europäische Gerichtshof 
für Menschenrechte in einem Urteil die anonyme Geburt sehr wohl für 
vereinbar mit der europäischen Menschenrechtskonvention erklärt hat. 
 Da in Frankreich seit 1941 die anonyme Geburt legalisiert ist, hatte eine Französin 
  auf Einsicht in ihre Adoptionsakte geklagt. Gegen das gängige Klischee, 
  die Identitätsbildung sei eine Ableitung der biologischen Eltern, hat der 
  europäische Gerichtshof entschieden, dass das informationelle Selbstbestimmungsrecht 
  eines Kindes sehr wohl seine Grenze an dem informationellen Selbstbestimmungsrecht seiner 
  Eltern, deren Wunsch nach Anonymität, finden kann. Damit entspricht dieses 
  Urteil auch den Erkenntnissen moderne Identitätsforschung; dazu Frau Künning: 
  "An diese Stelle kann ich nur daraufhinweisen, dass die in den Medien 
    zitierten Sozialwissenschaftler und Sozialwissenschaftlerinnen, die den Babyklappendiskurs 
    entscheidend mitgestalten, keinen repräsentativen wissenschaftlichen 
    Standpunkt vertreten.  Ich zitiere hier die Erziehungswissenschaftlerin Yvonne Schütze, die 
    die These von der gestörten Identitätsentwicklung kritisch beleuchtet, Zitat: 
    
 
    "In keiner der verschiedenen Sozialisation- und Identitätstheorien 
    wird die Kenntnis der biologischen Herkunft zur Voraussetzung von Identität 
    gemacht und empirisch sind gleichfalls Zweifel angebracht, denn Therapeuten 
    und Beratungsstellen sehen immer nur die problematischen Fälle aber nicht 
    diejenigen, die auch ohne Kenntnis ihrer biologischen Herkunft sowohl eine 
    personale, wie eine soziale Identität entwickelt haben d.h. sowohl eine 
    Vorstellung von der Einzigartigkeit ihrer Person haben, als auch die Fähigkeit, 
    sich den sozialen Erwartungen ihrer Umwelt anzupassen.' Zitat Ende."
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                        | aus dem Vortrag von Gabriele Stangel |  
                        |                           
                            
                            
                              Vortrag:
                               Gabriele Stangel
                             
                              Kommentar:
                              Sylvia Zeller und René Talbot
                             
                              Länge 04:37
                             |  
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                                  |  | Hohe Qualität | Geringe Qualität |  
                                  | MP3 | 
                                     5.51 MB | 
                                     1.98 MB |  
                                  | OggVorbis | 
                                     4.04 MB | 
                                     1.79 MB |  |  
                        | 
                            
                               Lesen |  
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                        | Genauso falsch wie die Unterstellung, Identitätsbildung würde im wesentlichen 
durch die Kenntnis der biologischen Abstammung entstehen, ist die Pathologisierung 
und Stigmatisierung der Frau, die sich für eine anonyme Geburt entscheidet 
beziehungsweise ihr Kind zur Adoption frei gibt. Frau Gabriele Stangel, Pastorin am Krankenhaus Waldfrieden, hat im Jahr 2000 
  die erste Babyklappe in Berlin gestartet und seitdem viele persönliche 
  Erfahrungen damit gemacht. Inzwischen gibt es fünf derartige Einrichtungen in 
  Berlin.  Bei einer Veranstaltung der Schwangerenberatungsstelle "Balance" 
  zum Thema Babyklappen am 22. Februar 2006, konnten wir ihren Beitrag aufzeichnen: 
  "Ich finde, dass Frauen, die ihr Kind abgeben zur Adoption, sehr 
    verantwortungsbewußte Frauen sind, wenn sie sagen, sie können es selber 
    nicht. Ich ziehe den Hut vor solchen Frauen. Ich könnte kein Kind abgeben, 
    dass ich neun Monate in meinem Leib trage, könnte ich nicht, ich persönlich 
    nicht, aber diese Frauen sagen: "Das Kind hat es nicht gut bei mir." 
    Das ist eine reife, sehr verantwortungsvolle Entscheidung, die sie treffen, 
    die ich nur unterstützen kann." Plastisch schildert Frau Stangel auch eine ganz andere Bewertung von Adoption 
  aus der Sicht eines angenommenen Kindes als eben eines "Wunschkindes": 
  "Wir haben selber ein Findelkind in der Familie - eine meiner Schwestern 
    hat ein Findelkind adoptiert. Die ist jetzt dreißig, wir wissen, was 
    aus der geworden ist: es ist eine sehr stabile Persönlichkeit, gesund 
    und glücklich, wußte immer, dass sie ein Findelkind ist und ich 
    muss sagen, es gibt eben auch diese Fälle. Es kommt immer darauf 
    an, wie man mit diesen Kindern umgeht, dass man ihnen auch die Wahrheit 
    sagt, das ist eins der wichtigsten Kriterien, dass sie die Umstände ihrer 
    Geburt kennen. Das ist also jetzt 30 Jahre her, da ist man in Österreich 
    noch anders mit der Adoptionen umgegangen als heute. Heute redet man sehr 
    offen darüber - damals war das immer noch komisch. Aber meine Schwester 
    hat da wirklich was Gutes gemacht - das Kind konnte schneller "adoptiert" 
    sprechen, als andere Kinder "Staubsauger" und sie wußte auch, 
    sie ist mit einem guten Selbstbewußtsein herangewachsen.  Als sie im Film einmal eine Sendung über Adoptionen sah, sagte 
    sie nachher: "Habt Ihr Glück gehabt, Mama, mit mir! Den Günther," 
    - ihr Bruder, der 9 Monate später geboren wurde - meine Schwester und 
    Schwager waren nachweislich unfruchtbar - die war bereits 6 Wochen schwanger 
    zu dem Zeitpunkt oder 3 Wochen und hat es nicht gewußt - "den Günther 
    mußtet ihr so nehmen, wie er kam aber mich habt ihr ausgesucht, weil 
    ich so schön war." Da war sie so ein kleiner Pimpf, 4 oder 5 Jahre 
    alt. "Ihr habt mich ausgesucht, ich war Euer Wunschkind. Ihr habt mich 
    gesehen und ihr wart so verliebt in mich!"  Läßt man den Gedanken einer Entkoppelung von leiblich/biologischer 
  Entstehung eines Kindes und der Definition von Elternschaft einmal zu, wie es 
  dieses Kind ganz selbstbewußt für sich in Anspruch nimmt, kommt man 
  an den Kern von Biologismus, Rassismus und vielfältiger Diskriminierung in 
  der Gesellschaft. Dazu Frau Künning:  
  "In der seit Jahren andauernden Diskussion um die anonyme Geburt, 
    beobachte ich eine unterschwellige Fremdfeindlichkeit, die sich als Besorgnis 
    um die anonym geborenen Kinder tarnt. Ja, wie Sie sicher auch selber schon 
    gelesen haben, wer die Fach- und Zeitschriftenartikel von Gegner und Gegnerinnen 
    der anonyme Geburt aufmerksam liest, wird sehen, wie oft davon die Rede ist, 
    aufgrund ihres Nicht-wissens um ihre Herkunft zu Psychiatriepatienten werden. 
    Kinder, die keine Identität entwickeln können, Kinder, die wie Kasper Hauser 
    sind, also entwicklungs- und kommunikationsgestört.  Dies alles, weil sie fremd sind, weil niemand weiß, wer ihre biologischen 
    Eltern sind und wie ihre genetische Ausstattung beschaffen ist. All diese Zuschreibungen 
    implizieren, dass ein anonym geborenes Kind kein Potential zur Entwicklung 
    seiner Persönlichkeit hat, sondern dass es sich und der Gesellschaft 
    fremd bleibt und Sorgen und Kosten verursacht. Zwar treffen nicht alle adoptierten Kinder auf so viele Verurteile und 
    Stigmatisierung, doch bei denen, die es besonders trifft, ist es nicht verwunderlich, 
    dass sie glauben, ihr Leid sei durch die Adoption verursacht und dass alles 
    besser würde, wenn sie ihre biologische Eltern fänden." Sylvia Zeller: Ja, wir haben schon mal darüber geredet, das ist so, 
    wie eine Pflanze, die keine Wurzeln hat
 - das ist wiederum ein biologisches 
    Bild: man braucht seine Wurzeln, sonst kann man nicht fest im Boden stehen. "Ja, genau."
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                        | Vorschlag zur freiwilligen Elternschaft |  
                        |                           
                            
                            
                              Autoren:
                              Sylvia Zeller und René Talbot
                             
                              Länge 02:25
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                                     3.33 MB | 
                                     1.14 MB |  
                                  | OggVorbis | 
                                     2.10 MB | 
                                     955 kB |  |  
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                               Lesen |  
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                        | Wer kennt nicht die Geschichte von Brechts Kaukasischem Kreidekreis, in der die uneigennützige Liebe einer Mutter zu dem von zwei Frauen beanspruchten Kind zum allein entscheidenden Kriterium für Ihre Mutterschaft gemacht wird?  Ganz ähnlich im Grunde genommen das salomonische Urteil - keine Untersuchung auf Schwangerschaft oder Zeugen der Geburt, sondern nur der Liebesbeweis bei Androhung der Vernichtung des Kindes zählt: in beiden Beispielen wird die Leiblichkeit bzw. biologische „Beschaffenheit“ gerade nicht zur Bestimmung von „Verwandtschaft“ herangezogen, sondern NUR die Beziehung zwischen dem Kind und der so zur Mutter gewordenen Person. Die Forderung, die sich daraus ergibt, heißt modern ausgedrückt: jedes Kind ist adoptiert. Es gibt keine andere Elternschaft außer der freiwilligen, technisch vollzogen etwa durch eine unerzwingbare Unterschrift der Eltern auf der Geburtsurkunde eines Kindes. Sicherlich  ginge damit einher, dass leibliche Eltern ein vorrangiges, zeitlich limitiertes Optionsrecht auf „Adoption“ des Kindes hätten, aber andererseits könnten keine Gen- bzw. Chromosomenspender zur Elternschaft gezwungen werden. In unseren Gesellschaften ist Konsens, dass niemand in eine Ehe gezwungen werden sollte, - wäre es nicht ein vergleichbarer qualitativer Quantensprung, wenn Adoption als definitorischer Regelfall von Elternschaft institutionalisiert würde? Dem läge die Anerkennung der sozialen Elternschaft als Ergebnis einer individuellen, unerzwingbaren Entscheidung zum Vater- bzw. Muttersein zugrunde, jenseits einer Festschreibung von Geschlechterrollen. Die Fantasie von biologischer Abstammung könnte abgelöst werden durch die Konstitution über Sprache und Kommunikation, unsere Beheimatung in gänzlich unbiologischer Kultur.
 Durch dieses Modell der selbstbestimmten Elternschaft, das wir vorschlagen, wäre dann in der Tat jede Zwangselternschaft ausgeschlossen und Sexualität von Elternschaft und Verantwortung für ein Kind entkoppelt. Als willkommener –allerdings antikatholischer - Nebeneffekt würden damit Sexualität und Schwangerschaft von zentralen Ängsten befreit. Die Perspektive, Lust ohne Strafe zu denken, ist Dreh- und Angelpunkt jeder Herrschaftskritik.  |  
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