Der Gegensatz von Vernunft und Menschenrechten - zunächst überrascht es sicherlich, zwischen den Menschenrechten und der Vernunft überhaupt einen Gegensatz sehen zu wollen. Tatsächlich aber zeigt sich bei genauerem Hinsehen deren Gegensätzlichkeit. Von dem französischen Philosophen Michel Foucault ist dies schon 1961 mit seinem Werk Wahnsinn und Gesellschaft - Eine Geschichte des Wahnsinns im Zeitalter der Vernunft angedeutet worden und von dem amerikanischen Psychiater Thomas Szasz mit seinem aus demselben Jahr stammenden Buch Geisteskrankheit - ein moderner Mythos implizit aufgedeckt worden. Aber es fehlt an einer ausbuchstabierten Beschreibung dieses Gegensatzes.
"Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache" sagt Ludwig Wittgenstein - aber noch wesentlicher ist der Gebrauch eines Wortes in gesellschaftlicher Praxis. Wie die Handlungen und die Beziehungen von Menschen durch den Gebrauch bestimmter Wörter strukturiert werden, bestimmt deren Bedeutung, insbesondere wenn diese die Anwendung monopolisierter Gewaltmittel rechtfertigen soll, um den Willen eines anderen Menschen zu brechen.
Und welchen Gebrauch hat nun Vernunft in der Sprache bzw. gesellschaftlicher
Praxis? Sie ist ein Herrschaftsinstrument, dessen brutaler Kern durch beschönigenden
Sprachgebrauch des Wortes "Vernunft" bis zur Unkenntlichkeit verhüllt
wird. Das ist der klassische Ideologievorwurf, der von den Vertretern der Frankfurter
Schule verschiedentlich erhoben wurde.
Diese These soll im Folgenden belegt werden und man vermutet zurecht unsere
Absicht einer völligen Dekonstruktion von "Vernunft". Michel
Foucault hat dafür das Bonmot geprägt: "Die Vernunft, das
ist die Folter".
Dabei werden wir bei diesem umfangreichen Thema nur ein grobes Mosaik legen
können, bei dem einige Zwischenräume offen bleiben.