Zur rechtlichen Situation der anonymen Geburt

An dem Zustand, dass die anonyme Geburt in Deutschland rechtlich ungeklärt ist, hat sich seit der abgesagten Abstimmung im Bundestag im Jahr 2001 nichts geändert. Dies, obwohl im Frühjahr 2003 der europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Urteil die anonyme Geburt sehr wohl für vereinbar mit der europäischen Menschenrechtskonvention erklärt hat.

Da in Frankreich seit 1941 die anonyme Geburt legalisiert ist, hatte eine Französin auf Einsicht in ihre Adoptionsakte geklagt. Gegen das gängige Klischee, die Identitätsbildung sei eine Ableitung der biologischen Eltern, hat der europäische Gerichtshof entschieden, dass das informationelle Selbstbestimmungsrecht eines Kindes sehr wohl seine Grenze an dem informationellen Selbstbestimmungsrecht seiner Eltern, deren Wunsch nach Anonymität, finden kann. Damit entspricht dieses Urteil auch den Erkenntnissen moderne Identitätsforschung; dazu Frau Künning:

"An diese Stelle kann ich nur daraufhinweisen, dass die in den Medien zitierten Sozialwissenschaftler und Sozialwissenschaftlerinnen, die den Babyklappendiskurs entscheidend mitgestalten, keinen repräsentativen wissenschaftlichen Standpunkt vertreten.

Ich zitiere hier die Erziehungswissenschaftlerin Yvonne Schütze, die die These von der gestörten Identitätsentwicklung kritisch beleuchtet, Zitat:

"In keiner der verschiedenen Sozialisation- und Identitätstheorien wird die Kenntnis der biologischen Herkunft zur Voraussetzung von Identität gemacht und empirisch sind gleichfalls Zweifel angebracht, denn Therapeuten und Beratungsstellen sehen immer nur die problematischen Fälle aber nicht diejenigen, die auch ohne Kenntnis ihrer biologischen Herkunft sowohl eine personale, wie eine soziale Identität entwickelt haben d.h. sowohl eine Vorstellung von der Einzigartigkeit ihrer Person haben, als auch die Fähigkeit, sich den sozialen Erwartungen ihrer Umwelt anzupassen.' Zitat Ende."


Gesendet am 09.03.2006 im Dissidentenfunk (www.dissidentenfunk.de)

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